Über 30 Jahre SPECTRUM-Historie

2003

Datenrevision und Analyse von großen Datenmengen ... wurden aufgrund der GDPdU ein Thema: IDEA

Steuerberater müssen bei der Datenanalyse auf Augenhöhe sein

Bereits im Januar 2001 traten die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU) der Finanzverwaltung in Kraft. Diese GDPdU-Verwaltungsanweisungen des Bundesfinanzministeriums enthalten Regeln zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen und zur Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen bei Betriebsprüfungen. Im Jahr 2002 entschied sich dann die deutsche Finanzverwaltung für eine Software zur Analyse großer Datenmengen: für IDEA. Konzeptionell ist IDEA sowohl mit Tabellenkalkulationssoftware wie Excel als auch mit einem Datenbanksystem vergleichbar – IDEA ist nur für die schnelle Verarbeitung sehr großer Datenmengen optimiert. Nun ging es darum, wie die Steuerberater schon im Vorfeld auf Augenhöhe mit den Betriebsprüfern prüfen konnten, was gegebenenfalls die eine oder andere Analyse ergibt. IDEA wurde in Deutschland von Audicon vertrieben und SPECTRUM schloss eine Vereinbarung mit Audicon, um IDEA an Steuerberater vermarkten zu können.

SPECTRUM führte wieder mehrere Veranstaltungen in Hotels – unter anderem mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums und Wirtschaftsprüfern – durch, um den Steuerberatern die GDPdU zu erläutern und die Möglichkeiten solcher Analysewerkzeuge wie IDEA zu demonstrieren.

Mit Düsseldorfer Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern gründete SPECTRUM eine Datenrevisionsgesellschaft, da man unterstellte, dass das Prüfungsthema wichtig würde und es interessant sein könnte, Outsourcing-Dienstleistungen für Kanzleien anzubieten. Die Geschäftsidee konnte zwar nicht richtig realisiert werden, aber SPECTRUM bekam im Juni 2003 Post von Nürnberger Anwälten, die die Interessen der DATEV vertraten: Die Datenrevisionsgesellschaft (bei der SPECTRUM nur Minderheitsgesellschafter war) hatte ein kleines Programm entwickelt, mit dem Daten aus dem DATEV-Kanzlei-Rechnungswesen nach IDEA transportiert werden konnten (die GDPdU-Schnittstelle der DATEV gab es damals noch nicht; die DATEV wollte die Zurverfügungstellung von GDPdU-Daten damals nur über die kostenpflichtige Archiv-CD lösen, damit auch möglichst alle Berater weiterhin alle Daten kostenpflichtig nach Nürnberg schicken). Die Datenrevisionsgesellschaft hatte das Progrämmchen „Audit-Manager“ genannt und auf einer Website zum kostenlosen Download bereitgestellt. SPECTRUM bekam nun als Minderheitsgesellschafter ein Anwaltsschreiben „DATEV ./. SPECTRUM“, weil die DATEV für die Berufsbezeichnung Markenrechte für sich reklamierte (in der Sonderform eines „Werktitels“ – das heißt, ein Untermenü eines Untermenüs in einem DATEV-Programm hatte damals die Menü-Bezeichnung „Audit-Manager“ und das sollte ausreichen).

Dieses Rechtsanwaltsschreiben wurde zwar wegen fehlender Passivlegitimation kommentarlos zurückgeschickt und die Datenrevisionsgesellschaft benannte das Progrämmchen ohne viel Aufhebens einfach um – aber allein dieser Vorgang zeigt die Spannungen.

Was es 2003 sonst Wichtiges gab:

  • Der zweite Irakkrieg oder der dritte Golfkrieg beginnt.
  • Saddam Hussein wird gestürzt.
  • Die deutsche Regierung unter Schröder stellt sich zusammen mit Frankreich gegen die Kriegspolitik der USA und Großbritanniens.
  • Die Raumfähre Columbia explodiert beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.  
  • In Deutschland tritt ein neues Ladenschlussgesetz in Kraft, das fast keine Einschränkungen mehr aufweist.
  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die in Ostasien ausgebrochene Lungenkrankheit SARS als weltweite Bedrohung ein.  
  • Die „Agenda 2010“ zur Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarkts wird von Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündet.
  • Maurice Gibb (Bee Gees), Johnny Cash, Günter Pfitzmann und Jürgen W. Möllemann sterben.

DMS – Dokumenten-Management – wird ein Thema

Das Jahr 2003 war auch geprägt durch die Einführung von DATEV DMS, dem neuen Dokumenten-Management-System der DATEV. Schon Ende der 90er-Jahre hatte die DATEV ein DMS-Produkt in Lizenz vertrieben: DOCS Open von der US-Firma PCDOCS Inc. Auch dieses Unternehmen wurde aber zum Software-Wanderpokal: Es wurde von der kanadischen Software-Gemischtwaren-Company Hummingbird Ltd. aus Toronto übernommen und es gab Supportprobleme, sodass die DATEV zunächst einmal das DMS-Thema beerdigte. 2002 hat die DATEV dann mit der Berliner DMS-Firma Saperion AG einen neuen Lizenzvertrag geschlossen. Auf dem DATEV-Kongress im Jahr 2002 wurde das neue DATEV-DMS-System auf Basis von Saperion freigegeben, obwohl noch nichts lief. Von großen Systempartnern wie SPECTRUM erwartete die DATEV damals, dass man in Personal zur Unterstützung dieses Produkts investierte und mit der DATEV sogenannte DMS-Partnerverträge abschließt, in denen man sich primär verpflichten musste, beachtliche Verkaufsquoten für DATEV-DMS-Lizenzen zu erfüllen. Von DATEV DMS erwartete der DATEV-Anwender ja nicht irgendein DMS-Produkt, sondern die Integration in die restliche DATEV-Softwarewelt. Als SPECTRUM Anfang 2003 Mitarbeiter zur mehrtägigen Schulung zur DATEV schickte, bekamen die dort lediglich erklärt, wie das Saperion-Produkt grundsätzlich funktioniert, DATEV-Anwendungen fehlten auf den Schulungs-PCs und somit entfiel auch jeglicher DATEV-Bezug in der Schulung. Jeder Systempartner musste sich danach selbst Themen wie die Integration in die bestehende Kanzlei-Organisation erarbeiten. Aus diesem Grund gibt es bis heute riesige Unterschiede bei der Einführung von DMS in den Kanzleien. Das Jahr 2003 war dann dadurch gekennzeichnet, dass die DATEV von den DMS-Partnern ein monatliches Reporting zu den DMS-Verkäufen und -Aktivitäten erwartete – es aber kein lauffähiges DMS-Produkt gab. SPECTRUM schickte jeden Monat einen Report nach Nürnberg: „Keine Verkaufszahlen, da Vertriebsstart verzögert durch DATEV.“ Kam dieser Report jedoch nicht pünktlich an, wurde man angemahnt.

Anfang 2004 ereignete sich wieder eine Anekdote, die das damalige DMS-Geschäft kennzeichnete: Ein SPECTRUM-Kunde, eine größere Kanzlei mit 60 Arbeitsplätzen, interessierte sich für DATEV DMS. Der DATEV-Außendienst, der ja Verkaufsquoten erfüllen muss, setzte alles daran, dass diese Kanzlei einen Auftrag für DATEV DMS erteilte. SPECTRUM, die ja auch eine DMS-Verkaufsquote erfüllen sollte, riet der Kanzlei zu dem Zeitpunkt von der Einführung von DATEV DMS ab. Der Grund war aber, dass es sich um eine Wirtschaftsprüfungskanzlei handelte, die zu den Vor-Ort-Prüfungsterminen Dokumente von Mandanten auf Notebooks mitnehmen wollte/musste und die DATEV damals die Freigabe des dazu benötigten Mobil-Clients verzögert. SPECTRUM riet daher der Kanzlei, die Entscheidung für mindestens ein Jahr zu vertagen. Danach kam es zum Eklat mit dem DATEV-Außendienst, der die SPECTRUM-Beratung nicht akzeptierte, da der Kunde doch erst seine Zeit bräuchte, um festzustellen, dass es den zugesagten Mobil-Client nicht gibt, und dann könnte man den immer noch nachliefern (den Produktzusatz „Mobil-Client“ hat die DATEV zwischenzeitlich gestrichen). SPECTRUM wollte dem Kunden allerdings auch in Zukunft noch in die Augen schauen und hat sich nicht umstimmen lassen.

2005 hat SPECTRUM die Provisionsverträge wegen der DMS-Vermarktung mit der DATEV beendet, denn wir wollten unsere Kunden nicht länger unter Druck setzen, ob und wann diese eventuell DMS einführen. Bis heute fährt SPECTRUM mit dieser Strategie hervorragend und gehört bis heute bundesweit zu den Systempartnern, die mit einem eigenen Support von vier Consultant-Mitarbeitern die Kanzleien und zunehmend auch immer mehr Mandanten und Unternehmen ganzheitlich mit DATEV DMS betreuen. Denn SPECTRUM ist überzeugt von DATEV DMS als Produkt, nur eben nicht von den Support- und Vertriebsmethoden der DATEV. DMS ist übrigens auch die Abkürzung für „Dehnungsmessstreifen“ – im Elektronikfachbuch steht dazu folgende Erklärung: „Ein Dehnungsmessstreifen ist ein Widerstand, der seinen Widerstandswert bei Druck verändert.“ Vielleicht verwechselt die DATEV hier etwas die Begriffe.

Übrigens – die Firma Saperion (die Software-Firma, von der die DATEV die DMS-Lizenz vertreibt) wurde zwischenzeitlich vom Druckerhersteller Lexmark gekauft – hoffentlich geht jetzt nicht wieder das Software-Wanderpokal-Problem los ...

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