Über 30 Jahre SPECTRUM-Historie

2017

SPCTRUM ist nun schon 10 Jahre ohne DATEV-Logo … 2018 ist das Jahr mit der Digitalisierungs-Angstmache …

Mitte 2017 feierte SPECTRUM ein kleines Jubiläum: SPECTRUM ist nun schon 10 Jahre kein DATEV-System-Partner mehr.

Mit dem damaligen Beginn des aktiven Vertriebs von SPECTRUM-ASP war es für uns von Anfang an klar, dass es über kurz oder lang zum Disput mit der DATEV kommen würde. Die SPECTRUM ASP-Installationsquote ging damals rasant hoch und so kam es wie es kommen musste, der Regionalvertrieb der DATEV beschwerte sich in Nürnberg, man könnte kein DATEV-ASP mehr verkaufen, weil SPECTRUM als DATEV-Systempartner eine eigene ASP-Lösung zum halben Preis der DATEV-ASP-Lösung anbieten würde. SPECTRUM war damals der erste DATEV-Systempartner bundesweit, der in ein eigenes RZ investiert hatte, eigene Cloud-Services den Kanzleien anbot und die DATEV wollte dies schon aus Präzedenzgründen nicht tolerieren. Die DATEV berief sich auf den Systempartnervertrag und meinte, sie hätte quasi ein Monopol auf solche RZ-Services im Steuerberatermarkt. Im August 2007 haben wir dann einfach der DATEV unser DATEV-Systempartner-Logo zurückgegeben! Im Nachhinein betrachtet, war dies die beste unternehmerische Entscheidung in der Geschichte von SPECTRUM. Wir hatten danach einen rasanten Zulauf von neuen Steuerberater-Kunden, die einen neutralen, unabhängigen IT-Partner suchten. Wir hatten uns damit für die uneingeschränkte Partnerschaft mit unseren Kunden entschieden. Wir haben uns für die Freiheit entschieden, Beratungen, Empfehlungen und Leistungen so unabhängig, so gut und so günstig erbringen zu können, wie wir dies eben als mittelständisches IT-Systemhaus können - ohne Rücksicht nehmen zu müssen, wie das sonst in einer Partnerschaft mit einem Monopolisten nicht möglich gewesen wäre. Übrigens, im Frühjahr dieses Jahres hatten wir Besuch aus Nürnberg, man wollte ausloten, ob wir nicht wieder DATEV-Systempartner werden wollten. Nach eingehender Beratung mit den SPECTRUM-Mitarbeitern haben wir dann der DATEV jedoch mitgeteilt, dass wir lieber für unsere Kunden weiterhin freier, unabhängiger KANZLEI-Systempartner bleiben möchten.

Hier, an dieser Stelle möchten wir die Gelegenheit nutzen, uns für die langjährige Treue unserer Kunden zu bedanken.

Was es 2017 sonst Wichtiges gab:

  • Donald Trump wird als 45 Präsident der USA in sein Amt eingeführt
  • Frank-Walter Steinmeier wird neuer Bundespräsident
  • Martin Schulz wird neuer SPD-Vorsitzender
  • BREXIT: das Vereinigte Königreich erklärt den Austritt aus der EU
  • in der Türkei baut Präsident Erdogan durch ein Verfassungs-Referendum seine Machtfülle weiter aus
  • Macron wird mit 39 Jahren neuer französischer Präsident
  • Deutscher Bundestag beschließt „Ehe für alle“
  • Tumulte beim G20-Gipfel in Hamburg
  • CDU gewinnt Landtagswahl im Saarland, CDU + SPD bilden Koalition
  • CDU gewinnt Landtagswahl in Schleswig-Holstein und man bildet eine Jamaika-Koalition
  • SPD + Grüne verlieren Landtagswahl in NRW, CDU + FDP bilden neue Koalition
  • Die große Koalition unter Angela Merkel verliert erheblich bei der Bundestagswahl
  • Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition (CDU/CSU, Grüne + FDP) scheitern nach 3 Monaten, SPD ziert sich für eine Neuauflage einer großen Koalition – Deutschland hat zum ersten Mal seit Monaten nur eine geschäftsführende Regierung
  • vorgezogene Wahl in Niedersachsen, SPD + CDU bilden Koalition
  • Aufruhr in Spanien, Katalonien hält Unabhängigkeits-Referendum ab
  • Elb-Philharmonie wurde endlich nach über 10-jähriger Bauzeit eröffnet

Das Jahr 2017 wird wohl als das Jahr der großen „Digitalisierungs-Angstmache“ in die Geschichte eingehen.

Seit über 10 Jahren läuft der Digitalisierungs-Trend schon - aber erst in 2017 reden plötzlich alle über die Digitalisierung und welche Risiken und Veränderungen dadurch hervorgerufen würden. In den TV-Sendungen zur 2017er Bundestagswahl hatte plötzlich jeder Politiker irgendein Statement zur Digitalisierung. Die Koalitions - Verhandlungen sind von Digitalisierungs-Vorgaben der Parteien geprägt. Einige Parteien fordern jetzt sogar ein Digitalisierungs - Minister. Wenn man jedoch auf die Regierungs – WEB-Seiten geht, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, man sei bei „Wünsch Dir was“ oder in einem utopischen Märchenland gelandet.

Surft man etwas bei den Regierungsstellen, findet man hier so spannende Themen wie „Digitaler Binnenmarkt“, „Digitalisierung im Mittelstand voranbringen“, „Digitale Agenda“, „Förderprogramm ‚Go-Digital‘“, „Einrichtung einer Digitalagentur“, „Hohe Priorität für Digitale Bildung“, „Smart Living - Made in Germany ist ein wichtiger digitaler Wachstumsmarkt“, „Digitale Plattformen sind die Marktplätze der Zukunft“, „Initiative Digital - intelligente Vernetzung“, „Digitale Verwaltung 2025“, „Verwaltungs-Cloud“ usw. – versucht man hier aber reale Ansätze für die Digitale Zukunft zu finden, landet man leider schnell bei nichtssagenden Luftblasen …

Betrachtet man nur alleine das Durcheinander, was Regierungsstellen bei den Themen E-Rechnungsgesetz, Verordnung zur elektronischen Rechnungsstellung, XRechnung-, ZUGFeRD- und Facture-X-Standard für den zukünftigen deutschen eRechnungs-Standard angerichtet haben, wirft das dieses so wichtige Thema leider eher um Jahre zurück, statt es zu fördern. Die Wirtschaft braucht hier Verlässlichkeit und Berechenbarkeit – das Gegenteil ist hier aber leider passiert, es herrscht ein Durcheinander von Aussagen und die Bundesministerien arbeiten dabei nur gegeneinander. Förderung der Digitalen Zukunft von staatlicher Seite sollte sicherlich anders aussehen …

Ein weiteres Beispiel: Grundsätzlich kann man es ja positiv werten, dass die Regierung im Rahmen der diversen eGovernment-Gesetzgebungen auch ein „Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“ verabschiedet hat. Aber bei der Umsetzung hapert es dann leider wieder: Die Gerichte und die Verwaltungen setzten weiterhin intern auf ihr altes EGVP-System, die Finanzbehörden wollen demnächst den elektronischen Schriftwechsel zu den Finanzämtern über einen ELSTER-Zusatz autorisiert mitabwickeln, NRW setzt weiterhin erst einmal auf FinMail, die Rechtsanwälte lassen sich ein eigenes beA-System entwickeln (ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach) – welches irgendwie schon seit 2 Jahren seine Kinderkrankheiten nicht los wird und die Verantwortlichen für die Steuerberaterbranche lassen die Zeit ungenutzt verstreichen und empfehlen jetzt, quasi auf den letzten Drücker – denn zum 1.1.2018 soll ja nach Gesetzesvorgabe alles laufen – den Steuerberatern ein De-Mail-Postfach einzurichten.

Bei den Stadtverwaltungen und Gerichten ist aber noch zum großen Teil völlig ungeklärt, wie man denn Schriftsätze von beA nach EGVP nach De-Mail weitergeben kann, ohne sie nochmals auszudrucken und neu einzuscannen. Sieht so die Digitale Zukunft aus?

Auch der schon im Jahr 2010 eingeführte neue Personalausweis mit eID-Funktion als „Universal-SmartCard“ und die Gesundheitskarte sind kein Ruhmesblatt für eGovernment-Projekte in Deutschland.

Anfang des Jahres konnte fast noch kein Steuerberater etwas mit dem Begriff „Digitale Transformation“ anfangen. Seit dem Frühjahr dieses Jahres verspürt man nun aber einen wahren Digitalisierungs-Hype und manche unserer Kunden kontaktieren uns ganz aufgeregt und suchen Hilfe, weil sie von Veranstaltungen, Info-Tagen, Seminaren zurückgekommen sind und nun der Auffassung sind, sie hätten „den Digitalisierungs-Zug schon verpasst“ …


Unsere Kunden möchten wir hier beruhigen:
Sie haben noch nichts verpasst!

Es gibt noch viel zu wenig Produkte und Lösungen am Markt, um die Digitalisierungs-Möglichkeiten im Prozess Mandant  Kanzlei wirklich ausschöpfen zu können.

Auf staatlicher Seite läuft der Digitalisierungs-Trend schon über 10 Jahre: EHUG, Elster, eBilanz, VaSt, VDB, GoBD, eRechnungsgesetz, FördElRV sind nur einige der gesetzlichen Auswirkungen. Die Digitalisierungs-Prozesse in der Steuerberatung werden aber sicherlich noch weitere 10 – 15 Jahre dauern.

Bei Betrachtung dieses Zahlenwerkes, braucht man derzeit sicherlich wirklich noch keine Angst zu haben, dass hier irgendein „Digitalisierungs-Zug schon abgefahren oder vorbeigefahren“ ist …

Bei der Analyse des Nutzungsgrades der umfänglichen Digitalisierungs-Funktionen von DATEV-Unternehmen-Online sagen uns die Kanzleien, dass über 90% der Anwender nur den reinen Belegtransfer nutzen, ohne weitere Rationalisierungs-Funktionen wie Zahlungsverkehr usw. – d.h. es werden die Belege beim Mandanten gescannt, und mit DATEV-Unternehmen-Online wird nur eine Art elektr. Pendelordner-Belegtransfer durchgeführt.

Gleiches berichten uns übrigens auch die Kanzleien, die andere Lösungen wie z.B. Addison-One-Click usw. nutzen. Lieferanten drucken weiterhin die Rechnungen auf Papier aus, diese werden per Post transferiert und dann aufwendig erst wieder gescannt – ein Wahnsinn! Dies hat nichts mit Digitalisierung zu tun! Eine Umstellung der Lieferanten, dass diese die Rechnungen als PDF im E-Mail-Anhang verschicken sollen, hat so gut wie noch nicht stattgefunden. Jeder Lieferant verschickt heute Angebote per E-Mail, also kann er auch Rechnungen per E-Mail verschicken – es hat ihm anscheinend nur noch keiner gesagt, dass dies auch gewünscht ist.

Im Jahre 2017 beschäftigt man sich stattdessen noch mit der Anschaffung von teuren Scanning-Stationen in den Kanzleien und mit Verfahren zum „ersetzenden Scannen“ (RESISCAN). Moderne Digitalisierungs-Techniken sehen sicherlich anders aus …

Wie sieht es sonst mit der Digitalisierung in den Kanzleien aus? Schon im vorigen Jahrhundert setzten einige unserer Kunden ein Fremdprodukt namens „Bankboy“ ein, mit dem man OPOS-Buchungen elektronisch Bank-Kontoauszügen zuordnen bzw. mit denen man autom. Vorkontierlisten erstellen konnte. Auch schon seit Ende der 90er hat die DATEV dann als Ergänzung zum Rechnungswesen-Produkt mit dem „Kontoauszugsmanager“ eine ähnliche Lösung geschaffen. Bei Addison, Agenda, Simba usw. gibt es auch schon seit langem ähnliche Hilfsprogramme … nur, wenn wir heute unsere Kanzlei-Kunden und auch die selbstbuchenden Unternehmen befragen, wie intensiv man diese Kontoauszugsmanager tatsächlich nutzt, ist die Antwort leider erschreckend. Die Durchdringungsquoten sind hier noch sehr gering und bevor man „hektisch“ beim Thema Digitalisierung wird, sollte man hier als erstes ansetzen.

Hier ein paar Rechenbeispiele:

Es gibt DATEV-Angaben, nachdem die Finanzbuchhaltung von ca. 1,5 Mill. Mandanten/Unternehmen über das DATEV-RZ abgewickelt wird. Von weiteren ca. 1,0 Mill. Mandanten/Unternehmen läuft deren Jahresabschluss über das DATEV-RZ. Presse-Mitteilungen der DATEV besagen, dass die Nürnberger Genossenschaft gemeinsam mit ihren ca. 41.000 genossenschaftlichen Mitgliedern die betriebswirtschaftlichen Prozesse von gesamt ca. 2,5 Millionen Unternehmen, Kommunen, Vereinen und Institutionen abwickelt. Man kann also unterstellen, dass ca. 2,5 Mill. Unternehmen irgendwie über DATEV laufen – welches 71% der gesamten deutschen Wirtschaft wäre – denn man spricht hier davon, dass es ca. 3,5 Mill. Unternehmen überhaupt in Deutschland gibt.

Die 41.000 Genossen betreiben nach DATEV-Angaben ca. 38.000 Kanzleien oder Steuerbüros die demnach im Durchschnitt (nur) je ca. 65 Unternehmen betreuen. Diese Zahl können wir noch nicht ganz nachvollziehen, denn die SPECTRUM-Kunden – die vielleicht nicht ganz repräsentativ sind - haben statistisch z.B. über ca. 200 aktive Rewe-Mandanten pro Kanzlei.

Nun gibt es schon seit fast 14 Jahren das DATEV-Digitalisierungs-Produkt „DATEV-Unternehmen-Online“ (zunächst nannte man es noch „Buchen mit Zukunft – BMZ“). Laut aktuellen DATEV-Angaben setzen derzeit aber nur ca. 15.000 DATEV-Kanzleien diese Digitalisierungs-Möglichkeit überhaupt ein = 39%.

Es soll ca. 100.000 Unternehmen geben, die dieses Produkt nutzen - was aber bezogen auf die obigen 2,5 Mill. von DATEV betreuten Unternehmen nur einer Marktdurchdringung von gerade einmal 4% (!) entspricht.

Arithmetisch hätte jede Kanzlei, die DATEV-Unternehmen-Online einsetzt, ca. 6,6 Unternehmen mit dieser Lösung bestückt - da es aber Kanzleien mit 50 ….. und bis zu 200 Unternehmen-Online-Anwendern gibt, müssen hier wohl viele Kanzleien gerade einmal einen einzigen Mandanten damit bedienen. Interessant: nach DATEV-Angaben sollen diese Unternehmen im Schnitt je ca. 6.500 Belege gescannt und ins DATEV-RZ hochgeladen haben.

Der DATEV-Wettbewerber Addison brachte im Sommer 2015 seine Lösung Addison OneClick auf den Markt und dort sollen heute ca. 6.000 Unternehmen diesen Service nutzen.


  • Verschlafen die Steuerberater den Digitalisierungs-Zug?

  • Hinken die Steuerberater ihren Mandanten hinterher?

  • Sind sie Getriebene einer voll auf Digitalisierung getrimmten Wirtschaft?

Vermutlich nicht, auch wenn einzelne Mandate vielleicht digitale Prozesse einfordern. Wer aber auf die Gesamtwirtschaft blickt, stellt fest, dass die Mehrzahl der Unternehmen noch weit von einer digitalen Arbeitsweise entfernt ist - speziell kleinere, mittelständische Betriebe.

Betrachtet man das gesamte Marktverhalten, kann man sogar sagen, dass eine Steuerkanzlei mit langjährigem Vertrauen der Mandanten auch sicherlich nicht gleich vom Markt verschwindet, nur weil sie noch nicht ihre Mandanten auf Scan-Techniken umgestellt hat - es ist sogar wahrscheinlicher, dass diese Scan-Techniken schneller als gedacht wieder vom Markt verschwinden werden.

So richtig revolutionäre Softwareentwicklungen sind auch noch nicht am Markt erkennbar, auch wenn manche heute schon von zukünftigen Buchhaltungs-Automaten und Buchhaltungs-Robotern reden. Man sollte eigentlich erst dann über fliegende Untertassen reden, wenn jemand auch mal eine gesichtet hat ….

Wenn der Produktabsatz nicht so läuft wie erhofft, muss man sich etwas einfallen lassen. „Angstmache“ hat in der Vergangenheit geholfen ...

... warum nicht noch einmal, diesmal mit dem Aufhänger Digitalisierung.

In der Wissenschaft gibt es den Begriff der „Disruption“ und damit meint man Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse, die durch neue oder geänderte Technologien ersetzt werden - bei dem also bestehende Geschäftsmodelle oder gesamte Märkte durch stark wachsende neue innovative Geschäftsmodelle abgelöst oder zerschlagen werden. So wie die Videokassette von der DVD/BlueRay abgelöst wurde und jetzt alle Videos nur noch gestreamt oder downloadet werden.

Nun gibt es Leute, die behaupten, dass angeblich auch der klassische Steuerberater einem disruptiven Wandel unterliegt.

 

 

Als Beispiel für den disruptiven Wandel wird hier gerne Kodak zitiert, einst Weltmarktführer auf dem Sektor der fotografischen Ausrüstungen, erfand selbst 1987 die erste digitale Spiegelreflexkamera – hat aber heute nur noch einen Bruchteil einstiger Größe und baut nur noch Druckmaschinen für Marktnischen. Es wird Kodak oft vorgeworfen, man hätte den Markt mit Digitalkameras verschlafen – in Wahrheit hatte aber Kodak nie einen Marktzugang als „Kamerahersteller“, sondern war immer nur Röntgenfilme‑, Druckplatten-, Photoscanner-, Filmmaterial- und Belichtungstechnik-Hersteller.

Auch Nokia wird gerne immer wieder als Disruptions-Beispiel genannt, weil man dort angeblich den Smartphone-Markt mit Touchscreens verschlafen hätte. Nokia, einst ein finnischer Holz-Verarbeiter, entwickelte sich ab 1970 zu einem Telekommunikations-Konzern und war von 1998 bis 2011 weltgrößter Mobiltelefonhersteller. Es wird gesagt, dass Nokia angeblich zu spät auf die Umwälzung des Mobilfunkmarktes reagiert hätte, die 2007 mit der Einführung des Apple-iPhone und dem anschließenden Aufstieg des Smartphones begann. Andere sagen, der Untergang von Nokia sei zeitgleich mit der Einführung des fehlerbehafteten Microsoft-Handy-Betriebssystems Windows-Phone einhergegangen, und dass das Nokia-Management einen Fehler nach dem anderen aus nackter Rendite-Geilheit gemacht hätte. In Deutschland brach der Abverkauf der Nokia-Handys schon ab 2008 ein, nachdem Nokia den Standort Bochum in Deutschland geschlossen hatte, um in Rumänien billiger zu produzieren. Ja – bei Nokia sind viele Managementfehler gemacht worden – ob dies aber eine disruptive Reaktion auf die iPhone-Markteinführung war, darf mehr als bezweifelt werden.

Typisch für disruptiven Wandel wird auch oft die Youtube-Generation genannt: Die schon lange nicht mehr ARD + ZDF schaut, aber für die auch die privaten TV-Anstalten RTL, SAT1, Pro7 & Co nicht mehr interessant sind. Die lenken heute schon riesige Taschengeld-Werbebudgets zu Youtube, Vimeo, Maxdome & Co und da der gesamte monetäre Werbekuchen sich nicht vermehrt, fehlen diese Gelder an anderer Stelle. Aber ist dieser Wandel wirklich für das Zeitungssterben verantwortlich? Der Rheinischen-Post, dem Springer-Konzern, der WAZ-Funke-Mediengruppe usw. ging es aber noch nie so gut wie heute.

Ein weiteres Beispiel für disruptive Veränderungen sind die Internet-Portale: Sucht jemand heute eine Wohnung, ein Haus, ein Grundstück, dann schaut man nicht mehr in die Tageszeitung oder in ein Anzeigenblatt, dann geht man ins Internet und ruft ImmobilienScout24 auf. Sucht man einen Gebrauchtwagen oder will jemand seinen alten verkaufen, dann ruft man AutoScout24 oder Mobile.de auf. Sucht man einen neuen Job oder hat eine Stelle frei, geht man zu Monster.de, Stepstone, Kalaydo & Co. Es dauerte ca. 15 Jahre, bis klassische Vermittler (Zeitungen, Arbeitsamt, Börsen, Märkte usw.) durch Internet-Portale ersetzt wurden.

Auch der Markt der Steuerdeklarationen ist in Deutschland im Umbruch: Gab es früher noch einen interessanten Markt an Tabellen-Büchern für den jährlichen Lohnsteuerjahresausgleich, wurde dieses Geschäft dann durch Steuersoftware wie Taxman, QuickSteuer, WISO-SteuerSparBuch, Haufe-Lexware, Steuer-Spar-Erklärung, smartsteuer, STEUER-easy, MaxTax, SteuerFuchs, Buhl-Data usw. ersetzt. Aber dieser Markt löst sich schon wieder auf: erst durch Online-Angebote dieser Firmen und seitdem die Finanzbehörden das ELSTER-Portal verbessert haben, machen immer mehr Arbeitnehmer direkt über ELSTER ihren Jahresausgleich - Online-Portale sind umsatztechnisch schon wieder auf dem Rückzug, die nächste Version von ELSTER soll besser als WISO sein.

Aber wer sollte morgen den Steuerberater in Deutschland ersetzen?
Irgendwelche Buchhaltungs-Internet-Portale?
Steuerberatung ist Vertrauenssache und diese lässt sich schlecht durch Roboter ersetzen!

Sieht so der zukünftige Arbeitsplatz einer Steuerfachangestellten aus,
die an virtuellen Display-Wänden die betriebswirtschaftlichen Analysen
zusammenstellt?

Dann gibt es da noch das Arbeitsplatz-Angstmache-Szenario: man würde am Arbeitsmarkt angeblich wegen des Digitalisierungstrends „weg rationalisiert“. Die Arbeiten z.B. im Steuerbüro würden zukünftig zum großen Teil von Robotern oder Automaten mit künstlicher Intelligenz erbracht.

Es gibt sogar (ansonsten seriöse) Institutionen, die solche Parolen breittreten: Angeblich könnten heute schon 83 % der Tätigkeiten im Berufsbild eines/r Steuerfachangestellten von Automaten oder Robotern übernommen werden! Die ARD – ja die ARD (!) - behauptet dies in einer aktuellen Studie (und diese wurde auch noch erstellt in Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeit und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung - siehe job-futuromat.ard.de). Sogar 45% der Tätigkeiten eines Steuerberaters könnten danach durch Maschinen ersetzt werden – sind die Steuerberaterprüfungen doch zu leicht? Fast ist man hier versucht, beim Lesen dieser Studie an solche Begriffe wie „Lügenpresse“ oder „Alternative News“ zu denken. Die Realität draußen am Markt ist aber, dass fast jeder Steuerberater-Kunde uns fragt, ob wir ihm nicht bei der Beschaffung von Fachkräften helfen könnten, die dringend gesucht werden – da der Markt leergefegt ist.

Irgendetwas stimmt doch da nicht …

Die Angst geht um: In der digitalen Welt braucht es womöglich keine Angestellten und Arbeiter mehr, weil Roboter, Automaten, künstliche Intelligenz und mathematische Algorithmen fast alles können.

Deutschland geht es gut, weil das so undramatisch klingt, fügen manche das unscheinbare Wort „noch“ hinzu. Das Glück ist in Gefahr, so versuchen es uns in diesen Tagen selbsternannte Experten einzureden. Ihre Argumente hören sich erst einmal überzeugend an: In der Zeit der mobilen Überweisungs-App braucht eigentlich kein Mensch mehr eine Bankfiliale.

Statt zu spekulieren, sollte man sich aber lieber wieder ein paar Zahlen ansehen: Während der vergangenen zehn Jahre war die Digitalisierung schon in vollem Gange. In dieser Zeit wuchs in Deutschland die Produktivität trotzdem nur durchschnittlich um 0,6% im Jahr, während die Wirtschaftsleistung mit der doppelten Rate stieg, d.h. um durchschnittlich 1,3%. Das heißt: Der technologische Wandel hat die Wirtschaft in den letzten 10 Jahren angekurbelt und auf diese Weise mehr Jobs geschaffen, als er in derselben Zeit durch höhere Effizienz vernichtete. Warum soll sich das in den nächsten 10 Jahren ändern? Erst wenn die Produktivität das Wirtschaftswachstum überholt, würde es Jobs kosten.

Sicherlich wird das simple Abtippen von Belegdaten rückläufig sein. Sicherlich wird es auch Software-Assistenten geben, die bessere Buchungs- und Kontierungsvorschläge erstellen als heute, sicherlich wird auch die eRechnung kommen – nur die oft zitierte „Dunkelbuchhaltung“, die alle arbeitslos macht, wo ominöse „Buchungsroboter“ Heinzelmännchen-gleich die Buchhaltung ohne menschliches Dazutun erledigen, wird noch etwas auf sich warten lassen …


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